Wolken ziehen über sie hinweg
Der Beste muss mitunter lügen.
Zuweil tut er’s mit Vergnügen.
Dieser Graf Salas und ich haben uns erneut getroffen. Er hatte ein junges Mädchen an seiner Seite, welches ich recht schnell in mein Herz geschlossen habe. Ihre Mutter ist vor nicht allzu langer Zeit verstorben und sie hat sich auf die Suche nach ihrem Vater gemacht. Den ganzen Weg aus Kluftspitze nach Dolchsturz, alleine. Ich bewundere ihren Mut und ihre Entschlossenheit und sie erinnert mich an meine Schwester. Beranji und ich haben uns immer davon gestohlen früher, ich um Elharra zu sehen oder um ihrem Vater dabei zuzusehen wie er all die wunderbar duftenden Öle zubereitet hat doch Beranji schlich sich alleine auf den Markt oder zu dem Waffentraining von der Garde des Königs und hat dafür wirklich mehr als einmal den Rohrstock unseres Vaters zu spüren bekommen. Trotzdem habe ich sie immer für ihren Mut und ihre Entschlossenheit bewundert.
Der Graf betrachtete mich mit einem besonderen Blick, ich fühle mich wohl in seiner Gegenwart und Ronyssa so wie er schienen mir zu vertrauen. Ich hatte das Gefühl, dass es jedoch eine andere Frau in dem Leben des Grafen gibt aber ich habe sie bisher nicht kennengelernt. Doch dann eröffnete der Graf, dass er der Vater von Ronyssa sei. Vor gut zwölf Jahren liebte er die Mutter Ronyssas und aus einer unbedachten Nacht entstand das Kind. Die Mutte wurde wohl fort gejagt oder ähnliches und zog das Kind ohne Vater groß. Ich war für einen Moment verwirrt, hatte Ronyssa nicht gesagt sie würde einen Aiden Wickham suchen welcher Schreiber gewesen war? Aber dann lüftete sich die Verwirrung dadurch, dass der Graf wohl gegenüber der Mutter vorgegeben habe ein anderer zu sein. Und wer soll es ihm auch verübeln, wenn er die Nähe zu einer Küchenhilfe suchte? Etwas, das einem Grafen nicht so möglich gewesen wäre ohne einen Skandal hinauf zu beschwören. Der Graf bat mich anwesend zu sein bei diesem wichtigen Gespräch mit seiner Tochter, weil sie wohl Vertrauen zu mir gefasst habe. Worum es ging wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, war nur erstaunt, dass nach der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft ich bereits in wichtige Themen mit einbezogen wurde. Und dann teilte der Graf Ronyssa mit, dass er ihr Vater sei und irgendwie hat sich mein Herz noch ein Stück mehr für diesen verschrobenen stolzen liebenswürdigen Mann aus Kluftspitze und seine schlaue mutige energiegeladene Tochter geöffnet.
Als ich beide das nächste Mal wieder sah, waren sie bereits ein Herz und eine Seele. Ich muss mich schelten dafür, dass ich diese unglaubliche Ähnlichkeit der Beiden nicht früher entdeckt habe. Die gleichen dunklen warmen Haare, die gleichen grünen wachen Augen die dazu tendieren auch noch in den gleichen Momenten sich zu verengen oder in Überraschung oder Unglauben zu weiten. Beide hatten eine Art Spiel entwickelt, ich denke um die Wahrnehmung des Mädchens für die Gesellschaft um sie herum zu schleifen, in dem sie alle Personen mit seit längerer Zeit mit Tieren verglichen. Ich war seit dem ersten Tag, an dem ich den Grafen kennenlernte die Löwin für ihn und seit jeher benennt er mich stets bei diesem neuen Namen. Er und seine Tochter sehen sich als Wölfe und Ronyssa mal stets schöne Bilder von den Tieren um sie herum. Ich hatte beide wirklich schon recht ins Herz geschlossen und erzählte ein wenig von meiner Vergangenheit, von Cedric und von all jenen Wolken, die derzeit über mir hängen. Sie beide schienen besorgt, wollten sogar helfen und ich glaube, sie begannen bereits Pläne zu schmieden. Was in Vater und Tochter vorgeht, können wohl wirklich nur die engsten Vertrauten verstehen. Und dann wurde es merkwürdig, nein unangenehm. Der Graf und seine Tochter hatten wohl irgendwie beschlossen, dass ich den Grafen heiraten solle. Er machte mir mitten am Tisch im Beisein seiner Tochter sozusagen einen Antrag aber auf eine undurchsichtige unangenehme Arte und Weise. Ich war völlig überrumpelt. Ja, ich mochte ihn bereits sehr gerne und ja, ich begann darüber nachzusinnen ob er es ist, der der nächste Sonnenschein in meinem Leben ist aber es kam alles so plötzlich. Ich wusste noch kaum etwas über ihn und ich bin nicht mehr die junge, naive Pheydra, die damit zufrieden ist ihren Mann nach ihrer Hochzeit kennenzulernen und auf einen bretonischen Titel stolz ist. Ich war erschrocken und wütend. Erschrocken, weil es so plötzlich kam und wütend, weil ich das Gefühl hatte, dass ich ihn die ganze Zeit falsch eingeschätzt habe. Ronyssa war sehr schockiert und sie tat mir leid aber ich würde keinen Fremden heiraten nur weil es mir schmeichelt oder damit ich wieder ein Leben mit mehr Annehmlichkeiten führen kann. Also ging ich. Ging mit einer Regenwolke über meinem Kopf und Sturm in meinem Herzen zurück in meine bescheidene Unterkunft. Zurück in die Einsamkeit. Ich schimpfte mit mir wegen meiner falschen Einschätzung des Grafen und verbrannte meine Hoffnungen mit den Augen im flackernden Kaminfeuer.
Und so war ich wieder zurück im Trott meines einfachen Lebens bis mir der Graf einen Besuch abstattete. Ich glaube für einen Moment war er erstaunt über meine Unterkunft aber zum Glück zeigte er kein Mitleid oder Bestürzung. Ich denke, er nahm es einfach zur Kenntnis. Dann sprachen wir. Wir sprachen lange und ausführlich. Über das was vorgefallen war, über uns und unsere Vergangenheit. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl nun wirklich den Mann hinter Alejandro Salas, Graf von Misthaven vor mir sitzen zu haben während sie die Nacht über Dolchsturz legte und wir in meiner bescheidenen Kammer bei einem billigen Glas Wein sprachen. Und er erzählte mir, dass er wirklich Aidan Wickham sei. Ein einfacher Schreiber aus Kluftspitze. Sein Titel, eine Lüge. Eine Lüge in der Hoffnung eines Tages die Lüge zur Wahrheit zu machen. Eine Lüge in der Hoffnung es besser zu machen als andere. Und ich erzählte ihm von mir, meinem verstorbenen Mann, seinem nichtsnutzigen Sohn und von den Tätigkeiten meines Bruders. Auch ich musste seit jeher Lügen. Lügen, um die Wahrheit zu schützen, um meine Familie und den König zu schützen. Wir beide sind keine unerfahrenen Kinder mehr, wir beide wissen welche Schritte manches Mal nötig sind, um mehr zu erreichen, um denen, die wir lieben, mehr zu ermöglichen, um sie vielleicht sogar zu schützen. Und so fühlte ich mich das erste Mal seit Beginn unserer Bekanntschaft ihm wirklich verbunden. Ja, dies kann der Mann in meinem Leben sein. Ein stolzer, kluger Mann mit einem Ziel. Und für dieses Ziel ist er bereit auch die ausgetretenen Wege zu nehmen, ich vermute auch jene im Schatten. Misthaven. Ein Hafen im Nebel. Vielleicht ist es genau das, was er sich vorstellt. Ein Hafen, der plötzlich aus dem Nebel auftaucht und man glücklich darüber ist, dass nach einer beschwerlichen Schifffahrt im Laufe der man in jenen Nebel geraten ist und nicht mehr ein noch aus wusste einen sicheren Hafen ansteuern kann und dort sein Glück finden kann. Er sagt, dass Ronyssa Bescheid weiß. Jetzt gilt es herauszufinden, wieviele andere Person seines Gefolges es wissen und ihm dabei zu helfen das Gefolge zu vergrößern. Und es gilt ihn weiter kennenzulernen und dann vielleicht teilen wir doch eines nicht allzu fernen Tages unser Leben miteinander.
One comment
Grelle Blitze durchzucken die Nacht
Und es donnert als ob der Teufel lacht
Und das wilde, schwarze Meer
Tobt um uns und wirft uns hin und her
… Irgendwo in Alsfeld macht ein Tobi “hach”. 😉 Ich mach das auch, aber bei mir hört’s keiner. 😀