Seelenblicke
Ihre Finger gruben sich in die abgenutzten Sitzkissen. Autofahren. Sie hasste es. Zumindest alles über einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.
They speak falsehood every one with his neighbour; with flattering lip, and with a double heart, do they speak.
Ein warmes direktes Licht strahlte dann auf die Kante der kleinen Bühne des Tanzlokals in Berlin und brach sich in den vielen kleinen silbernen Fäden eines Kleides. Die junge Frau, die in diesem Kleid steckte, welches für den Geschmack der Generation ihrer Eltern viel zu viel Arm, Brust und Bein zeigte, tätigte einen letzten Zug an ihrer Zigarette ehe sie sich mit einem koketten Lächeln dem Mikrofon zuwendete und zu singen begann. Ihr Gesang wurde begrüßt von tosendem Applaus und dann begleitet von weiterem Kratzen und Stampfen der Schuhe auf dem Parkett sowie sehr viel Gelächter. Noch Jahrzehnte später wusste die Frau, dass sie nie wieder einer solchen Lebensfreude begegnen würde wie in den wenigen Jahren, die sie in Berlin verbrachte.
Kacha HaChayim
Ein lautes Schreien hallte durch die Tiefen unter der Stadt. Zitternde Finger fuhren über verkrustetes Blut und verwelkte Haut, strichen über die verfilzten Haare und an ihnen blieben einige Strähnen goldblondes Haar hängen. Hinzu gesellte sich ein männliches Lachen, triefend von Schadenfreude. “Willkommen im Reich der wahren Gesichter, mein Kind.”
Blutige Tränen, Monate später. Unter einer anderen Stadt. Ein Schwur. Entschlossenheit. Wut. Oh, diese Wut. Ich werde Dich finden und Dir das Leben zur Hölle machen. Niemand, hörst Du, NIEMAND stößt MICH zurück. Got zol im bentshn mit dray mentshn: eyner zol im haltn, der tsveyter zol im shpaltn un der driter zol im ba’haltn.
Ihre Finger glitten zärtlich über einen messingfarbenen Kerzenleuchter mit sieben Ausparungen. Gepflegte Finger, saubere Nägel. Ein besserer Handschuh. “Ich nehme diesen. Bitte packen Sie es als Geschenk ein.”
Eine Hand ergriff stark ihren Hals, drückte ihren Kehlkopf nach innen. “Sie werden sich neutral verhalten, egal was ich gleich sagen werden.” Respekt, kaum Angst, Verständnis. Sie nickte. “Wir sind die Schweiz,” rau, heiser. Später sechs Köpfe in Demut geneigt, des Amtes enthoben. Wissendes Amüsement.
Ein Teleskop welches in die Nacht über Marburg ragt. Ein roter Schleier. Vertrauen, Misstrauen. Zuneigung, Wut. Sein Anzug saß ihm wie angegossen, wahrscheinlich maßgeschneidert. Nähe. Eine männliche Hand welche durch blonde Haare strich. Eine makellose Stirn, die sich an eine Krawatte lehnte.
“Denkst Du Jean kann führen?” “Sie wollen Jean auf dem Thron sehen.” “Keiner von uns kann auf dem Thron bestehen.” Amüsement. Ablehnung. Verneinung und doch überlegend.
Binat haLev
Ein letzter Blick auf das ungetragene weiße Kleid. Dann schloss sich die Tür in der Nacht hinter der jungen Frau welche schwer an dem großen ledernden Koffer zu tragen hatte. Die Schuhe zog sie sich erst vor der Tür an, sonst hätte sie womöglich jemanden geweckt. “Eine Fahrkarte nach Berlin bitte.”
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