You had me at “hello”.
Leise schloss sie die Tür hinter sich und streifte ihre Stiefel von sich. Ein nur halb anwesender Blick auf eines ihrer Bücherregale, ein fast ferngesteuerter Griff zu einer Kartensammlung von Hochfels. Die nackten Füße auf dem warmen Holzboden machten kaum Geräusche, nur das Knacken des Feuers in ihrem Zimmer, das Rascheln ihrer feinen Kleidung und das stete Trommeln des beginnenden Regens begleiteten sie zu ihrem bevorzugten Platz am Fenster. Sie ließ sich auf die Chaiselongue nieder, zog die Knie an und legte die ungeöffnete Kartensammlung auf ihrem Schoß ab. Der Blick glitt zu einem unbestimmten Fleck in die Ferne. Nach einigen tiefen Atemzügen leiß sie ihren Kopf nach vorne und die Stirn auf die Knie sinken.
Immer noch in der selben Haltung fand sie ihre Mutter einige Zeit später, als diese leise die Tür zu Savynas Zimmer öffnete. Sie näherte sich mit ruhigen Schritten, warf einen kurzen Blick auf den Rücken des Buches welches nun zwischen Savynas Oberkörper und Schenkeln eingeklemmt war und strich ihrer Tochter über die Haare.
“Ich nehme an das Treffen ist nicht gut gelaufen?”
Savyna brummte nur unwillig. Sie wollte sich nicht darüber sprechen. Vor allem nicht weil ihre Gedanken seit ihrer Rückkehr eh kreisten.
“War er unzufrieden mit dem Vertrag?”
“Mhmmhm,” verneinte Savyna dumpf immer noch mit der Stirn auf ihren Knien und hoffend, dass sich ihre Mutter in Bälde als ihrem Zimmer entfernt wenn sie merkt, dass kein Gespräch zustande kommt.
“Aber das ist doch gut.” entgegnete ihre Mutter und strich erneut über Savynas Scheitel. “Ich bin mir sicher, dass Dein Vater stolz auf Dich sein wird.”
Savyna schaufte widerwillig, zynisch. Als hätte es bisher in ihrem Leben auch nur eine Sekunde gegeben in der ihr Vater auf sie stolz gewesen war egal wie sehr sie es versucht hatte. Egal wie vorbildlich sie sich gegenüber seinen Geschäftspartnern verhalten, egal wieviel sie ohne aufgefordert zu werden für ihn gemacht hatte. Egal wie gut ihre Studien verliefen. Egal.
“Und was ist nun das Problem, mein Kind?”
Savyna richtete ihren Kopf nun auf und blickte in das immer noch wunderschöne Gesicht der Mutter mit den hohen Wangenknochen, dem schlanken Kinn und den ungewöhnlichen grauen Augen, welche Savyna geerbt hatte. Die leichten Falten auf der Stirn der Mutter waren die einzigen Zeugen von den Sorgen, die ihre Mutter hatte, einfach weil sie mit einem Mann verheiratet war, dem es niemand recht machen konnte oder zumindest niemand der Frauen aus seiner Familie. Immer verlangte er mehr, verlangte eine Verbesserung ohne auch nur ein einziges Wort der Anerkennung zu verlieren über das, was bisher geleistet wurde. Einzig sein Sohn und seine Geschäftspartner kriegten von ihm Respekt und manches Mal sogar joviale Freundschaft. Savyna mochte sich nicht vorstellen wie ihr Vater mit ihrer Mutter umging, wenn sie unter sich waren oder gar im Ehebett lagen. Herabwürdigung, Härte, Kälte. Der Preis, der zu zahlen war, wenn es um die Erfüllung von Pflichten ging. Wenn es darum ging ein Haus am Leben zu erhalten und es Schritt für Schritt auf der Leiter des Erfolgs empor klettern zu lassen. Der sanfte Blick der Mutter konnte nicht verdecken was von ihr selbst erwartet wurde. Dass erwartet wurde, dass sie einen Preis zahlte für etwas, worin sie keine Wahl hatte: Geboren zu sein als eine Trizh. Ihre Mutter würde es nicht verstehen. Daher schüttelte sie nur den Kopf und wendete den Blick hinaus aus dem nahen Fenster in die Nacht.
“Ich möchte nicht darüber reden, Mutter.”
“Geht es denn um Hyadriil Marvroth?”
Keine Reaktion.
“Savyna, das Leben ist nicht vergleichbar mit Deinen Geschichten.”
“Ich weiß, Mutter.”
“Also, warum sitzt Du hier so trübsinnig herum anstatt zu Deinem Vater zu gehen und ihm von Deinem Erfolg zu berichten?”
Keine Reaktion.
“Savyna. Sei nicht bockig.”
Langsam wendete die junge Dunmer ihr Gesicht wieder zu ihrer Mutter. “Weil…” sie brach ab und schüttelte den Kopf. “Es ist irrelevant. Irrelevant für Dich und für Vater. Ich werde wie stets alles machen was Ihr von mir verlangt. Für die Familie. Für unser Haus. Ich werde einen Mann heiraten, den ich kaum kenne und der mich nicht liebt. Werde mit ihm Erben zeugen damit unsere Häuser fortbestehen und werde so wie Du alles stoisch ertragen für diese Erben nur damit diese ebenso jemanden heiraten können, und sie in ihrer kühlen Ehe Erben zeugen und so weiter und so fort. Und wir alle werden glücklich sein in dem Wissen, dass wir alles für die Familie getan haben und uns selber und unsere Träume dabei aufgegeben haben. Das ist doch wunderbar. Und bitte, lasse mich jetzt alleine. Morgen früh werde ich wieder mit einem Lächeln aus diesem Zimmer kommen. Wie immer.” Sie wendete den Blick wieder aus dem Fenster. Ihr Kiefer fing an vor Anstrengung zu schmerzen. Und sie würde ihrer Mutter nicht ihre Tränen zeigen.
“Du bist zynisch, mein Kind, das steht Dir nicht. Deine Worte zeugen von einem Schmerz, den ich mir nicht erklären kann. Du hast eine Ausbildung in Bereichen, die sogar Dein Bruder nicht weiß, all Deine Bücher die aus fernen Ländern importiert werden und Deine feinen Kleider und Du wirst einen Mann aus einer angesehenen Familie ehelichen. Wirklich, Savyna, Du solltest wunschlos glücklich sein.”
Ein langer Moment der Stille verging bis Savyna hinaus in die Nacht leise antwortete. “Ich weiß.”
“Gut. Dann geh zu Bett und versuche Dir bewusst zu machen, wie gut Du es hast.” Mit diesen Worten richtete sich ihre Mutter wieder auf und ging aus dem Zimmer.
Savyna ließ ihre Stirn wieder auf ihre Knie sinken. Dankbar für die erneut eingekehrte Ruhe um ihre durcheinander wirbelnde Gedanken zu beruhigten. Doch die Ruhe sollte ihr nicht lange vergönnt sein, denn nur kurze Zeit später klappt die Tür erneut auf und wieder zu.
“Mutter hat gesagt, dass Marvroth zufrieden mit dem Vertrag sei aber Du säßest hier oben und bläst Trübsal.” Ihr Bruder schob sich entschlossen in ihr Blickfeld und ließ sich mit dem Hintern gegen die Fensterbank fallen.
“Und das interessiert Dich, weil….?” Genervt blickte Savyna zu Zyrik auf. Ihr Bruder zuckte kurz mit den Schultern und verschränkte die Arme. Forschend glitt sein Blick über Savynas angespanntes Gesicht und die geröteten grauen Augen.
“Hast Du geflennt?”
“Hau ab, Zyrik.”
“Hat Marvroth irgendwas getan was er nicht hätte tun sollen?”
“Nein.” Savyna schüttelte den Kopf.
“Ah. Hat er irgendwas nicht getan was er hätte tun sollen?” Die Lippen des Bruders hoben sich in einem süffisanten Grinsen.
“Hau ab, Zyrik.”
“Aha! Ertappt, Schwesterchen.
Genervt rollte Savyna mit den Augen. “Zyrik. Ich brauch jetzt wirklich nicht Deine dummen Kommentare und realitätsfernen Annahmen.”
Ihr Bruder stieß sich wieder von der Fensterbank ab und ging gemäßigten Schrittes zur Tür. Immer noch mit jenem süffisanten Grinsen welches Savyna mehr und mehr auf die Nerven ging.
“Ich gehe ja schon. Ich mein ja nur. Vielleicht geht es ihm ja wie Dir. Oder Du musst ihn rumkriegen mit Deiner bezaubernden Art und einem liebreizenden Augenaufschlag.”
Mit einem Klatschen flog die hochwertige Kartensammlung Hochfels’ gegen die sich schließende Tür. Draußen vernahm sie noch das Lachen ihres Bruders.
“Ach, verdammte Scheiße,” fluchte sie undamenhaft und rappelte sich auf. Schnell nahm sie das Buch wieder vom Boden auf und begutatchtete den Schaden. Fast liebevoll strich sie die Seiten wieder glatt. Nach wunderbar. Vorsichtig legte sie es auf ihrem Schreibtisch ab. Hochfels. Ein kurzes Zögern, dann nahm sie an eben diesem Platz und ergriff die Schreibfeder. Selbstmitleid hatte noch nie jemandem geholfen.
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