“I don’t want to survive. I want to live.”

Mit geschlossenen Augen grub sie ihre nackten Zehen tiefer in das kalte Gras. Dort, wo sie stand, war die dünne Schneeschicht bereits vollständig geschmolzen doch die Kälte an ihrer Haut war eine Wohltat. Mit tiefen Atemzügen ließ sie die kühle Morgenluft in ihre Lunge strömen. Erfolgreich ignorierte sie dabei die Blicke der beiden bretonischen Magier, welche sie seit vielen Wochen begleitete. Sie waren bereits daran gewöhnt, dass die merkwürdige Dunmer eine kuriose kindliche Freude an Gras wie auch Wüstensand zeigte. Zum Glück waren die ersten Wochen, in denen die verhätschelte Dunmer an jedem Essen etwas auszusetzen hatte, sich nachts von links nach rechts wälzte, weil sie ein Stein drücken würde und alle anderen ebenso wach hielt mir ihrem unzufriedenen Gemurmel, und in welchen sie bei jedem Händler, den sie passierten, neue Bücher erworb, welche sie auf ihrer Reise durch das Büdnis mitschleppen mussten zusätzlich zu dem umfangreichen Gepäck ihrer Forschungsreise, nur noch eine unliebsame Erinnerung. Und auch jetzt zuckten sie nach einigen neugierigen Blicken nur kurz die Schultern und widmeten sich weiter ihrem schlichten Frühstück vor ihrem gemeinsamen Zelt.

Die Dunmer hingegen sank auf die Knie und legte ihre Hände flach auf die unberührte Schneedecke als würde sie jede Schneeflocke einzeln erspüren wollen. Die erste Euphorie über den Schnee, welche für einiges Amüsement bei ihren Mitreisen gesorgt hatte, war zwar abgeklungen aber weiterhin war sie fasziniert von dem gefrorenen Niederschlag. Auch heute würde sie voraussichtlich wieder Seite um Seite ihres Reisetagebuchs mit der Beschreibung des Schnees und wie er die bretonische Landschaft veränderte füllen. Nachdem sie im Spätherbst in die Alik’r Wüste gereist waren, waren sie nun im Winter auf dem Weg von Dolchsturz nach Wegesruh. Es war ein großes Glück, dass sie vor so vielen Monaten über die Magiergilde diese Reise antreten konnte und sich so lossagen konnte von allen politischen Differenzen und vor allem von allen familiären Plänen, die man für sie geschmiedet hatte, und die, das musste sie sich eingestehen, wohl nicht zu ihrem Glück beigetragen hätten. Lieber ließ sie ihre Zehen von dem bretonischen Winter erfrieren als ihr Herz durch die fehlende Liebe eines Hyadriil Marvroth. Vielleicht eines Tages…aber nein, er würde schon jemand anderen finden aus einem anderen Haus, der seinen Vater genau so zufrieden stimmt. Und ihr eigener Vater war bestimmt bereits wenige Tage nach ihrem Verschwinden glücklich über das fehlende Mundwerk seiner unerzogenen Tochter gewesen.

Erneut atmete sie tief durch und spürte der kühlen Luft in ihren Lungen nach. Dann jedoch erhob sie sich und ging zurück zu ihrem Lager. Vielleicht hatten Adrienne und Lucas noch etwas warmen Brei übrig gelassen. Etwas wärmendes im Magen wäre jetzt genau das richtige. Sie war mittlerweile mit so einfachen Gegebenheiten zufrieden, was sie selbst nicht geglaubt hätte. Gut, sie hatte angenommen, dass ihre überstürzte Reise ihr einiges abverlangen würde, aber es ist doch etwas anderes von den Schwierigkeiten von Reisen in Büchern zu lesen oder selber in der Nacht auf hartem steinigem Boden zu frieren. Beim Zelt angekommen ergatterte sie tatsächlich dankbar noch eine Schale des warmen Frühstücks und unterhielt sich ein wenig mit ihren Begleitern. Sie würden wohl bereits in zwei Tagen in Wegesruh ankommen. Vielleicht lag es an der Frische des Schnees, vielleicht an den Gedanken an ihre Heimat, dass sie daraufhin in das Zelt verschwand und ihre Reisetagebücher zu einem Bündel zusammen schnürte. Sicher gab es jemanden in der Magiergilde in Wegesruh, welcher organisieren könnte, dass das Paket sicher bei seinem rothaarigen Adressaten in Deshaan ankam.

Ein kleiner Zettel lag als Lesezeichen im obersten Buch:  “Für Einblicke in eine fremde Welt. Mit besten Grüßen und in liebevoller Erinnerung, S.T.”

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