La mer très profonde

Die kalte Meeresluft blies ihr ins Gesicht. Die feinen salzigen Tropfen der Gischt wurden in diesen Nächten, die wieder kälter wurden, über die Brüstung des Hafens getragen. Sie schloss die Augen und spürten diesem bekannten Gefühl nach. Dolchsturz. Wenn der Wind von der See auf die Stadt wehte, wurde der salzige Nebel hinauf getragen in die Stadt. Salzige Tropfen auf weißer Haut welche darüber von edler Kleidung bedeckt gewesen war. Sie öffnete die Augen und blickte an ihrem Armen hinunter, die Stellen, die nicht von ihrer recht praktikablen, wenn auch aus edlen Stoffen hergestellten, Kleidung bedeckt waren, zeigten eine deutliche Färbung durch die heiße Sonne von vor wenigen Tagen auf. All die Monate in der Fremde doch der Anblick ihrer gebräunten Haut war weiterhin ungewohnt – fast ungläubig strichen ihre eigene Finger über die leichte Bräune.

Sie schloss die Augen erneut und atmete die erfrischende Kühle tief ein, verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, dass die salzige Gischt früher wie Gift für die Stoffe ihrer Kleidung gewesen war doch jetzt eine bloße kurze Unruhe für ihren festen Mantel. Nach all den Reisen, steinigen Straßen, sandigen Wegen und trockenen Wiesen, durchbrochen mit Gewittern und Sturm, nur geschützt durch spärliche Bauten und Zelten, waren alle Gedanken an feste Herrenhäuser, befestigte Straßen und kühlenden Schatten über die Monate mehr und mehr verblasst. Ihre Lippen hoben sich zu einem kleinen Schmunzeln, ein Schmunzeln welches mehr und mehr wusste das feine Bild der weiblichen Perfektion, welches ihre Maske zeichnete, und welches vor sehr langer Zeit zu einem Teil von ihr selbst geworden war, zu durchbrechen. Ein Schmunzeln welches öfter und immer öfter zu einem Lachen wurde, ein Lachen welches beizeiten von Tränen der Freude begleitet wurde. Ein Lachen, welches niemals ein Teil dieser Maske gewesen war seit sie sie vor einer gefühlten Lebzeit zuvor zu ihrer eigenen gemacht hatte.

Und mit jedem Mal, dass sich ihre Lippen zu einem Lachen öffneten, öffnete sich auch ihr Blick für die Schönheit in dieser Fremde und an dem Fremden, die tiefe Wahrheit des Lebens, welches mit etwas in ihr zu einem ungewohnten Einklang fand, unbekannte Saiten zum Schwingen brachte. Versprechungen aus den Schatten ihrer Selbst auf welche niemals zuvor Licht gefallen war. Ein spürbarer Herzschlag, ein tiefer Atemzug, ein schwingender Schritt, welcher auf den staubigen Straßen den Tanz der Lust vollführte. Das Erblühen eines neuen Lebens, emporkommend aus den Ruinen des Bisherigen, des Bekannten, das Neue aufsaugend und wirklich sehend so, wie es bisher nie gesehen werden konnte, den Blick den neuen Versprechungen zugewandt.

Freiheit? War es dies, wovon sie sprachen? Sich fallen lassen mit einem Seil am Rücken in das Unbekannte, den Wind in einem wilden Galopp an den Haaren zerren lassen während man doch dem Pferd vertraut, der Tanz auf einem unbekannten Parkett in jedoch vertrauten Schuhen. War es dies?

“Weißt Du, manches Mal beginne ich zu denken, dass dies vielleicht das Beste ist, was uns passieren konnte…”

Ja, ja vielleicht, mein Lieber…